Das neue Modell von 1929 bekam wesentliche Veränderungen:
Der neu überarbeitete Sturmey-Archer-Motor mit nun innenliegender Schwungscheibe hatte jetzt gekapselte Stoßstangen und Schwinghebel. Die Ventile waren noch offen gehalten, also noch nicht gekapselt. Man verbaute einen Vergaser der Firma Graetzin (Modell KB 24) mit zusätzlichen Luftfilter für gereinigte Ansaugluft. Die Bedienhebel am Lenker waren ebenfalls von Greatzin.
Technische Daten:
Das Dreiganggetriebe wurde anfänglich von Victoria hergestellt (später auch von Hurth) und hatte eine dreieckige Form mit Zweipunktbefestigung:
Links das Getriebe mit „VW“ Schriftzug (unrestauriert)
Victoria-Getriebe.
Verzahnung-Getriebe (gerade).
Zweipunktaufnahme.
Der neue stabile Rahmen bekam jetzt einen Satteltank, welcher formschön sich in das Gesamtkonzept des Motorrades einfügte. Der Tank bestand aus zwei Hälften, die man unten an den Rahmenstegen befestigte und oben war ein vernickeltes Blech, das die Tankhälften mit feinen Schrauben verband:
Die beiden Tankhälften deutlich zu sehen.
Das obere Verbindungsblech, weiterhin der Steuerkopf zur Einstellung der Fahreigenschaften mit den Gesenk-Schmiedeteilen am Rahmenrohr. Deutlich ist auch die neu konzipierte Tankuhr zu sehen:
Steuerkopf-verstellbar, Tankuhr und Einfüllstutzen.
Die Vordergabel wurde wegen der Ständeraufnahme leicht geändert:
Die Dreigangschaltung am Rahmen konnte man vor dem Getriebe einstellen:
Victoria KR 35 vor Restauration:
Victoria KR 35 (restauriert):
Die Maschine ist mit sportlichen Fußrasten ausgerüstet. Der bequeme Fahrer konnte aber auch Fußbretter bestellen.
Für die Rennveranstaltungen und Bergrennen wurden eigens Rennmotore aus England geordert, mit denen viele sportliche Erfolge erzielt wurden. Auch heute sieht man noch Victoria Rennmaschinen auf manchen Veranstaltungen, wie zum Beispiel am Schottenring.
Victoria KR 35 Rennmaschine (2011).
Historische Aufnahme einer Rennmaschine.
Das Modell Victoria KR 35 von 1930 bekam nur geringfügige Veränderungen zum Vorgänger und es wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen.
Victoria-Treffen 2018 Pfaffengrün:
Die nächsten Bilderzeigen Victoria KR 35 Motorräder bereits mit verchromten Benzintank:
Auf dem Messestand von Victoria ist auch eine KR 35 dabei:
Unter dem Motto „Victoria bringt 3 Neue“ begann die Zeit der Einzylinder- Modelle neben der Produktion der bewährten Zweizylinder-Boxer-Modelle im Jahr 1928:
Durch gute Geschäftsbeziehungen von Rudolf Ottenstein zur Firma Sturmey Archer in England, welche unter der Marke „Raleigh“ Motorräder mit eigenen Motoren und Getrieben herstellte, entschloss man sich die Motoren von dort zu beziehen. Die Sturmey Archer Motoren waren von guter, standfester Qualität und in einer vielseitigen Leistungspalette sofort verfügbar. Übrigens war das Raleigh Werk in Nottingham bereits Lizenznehmer des von Victoria entwickelten Patent-Drucklötverfahrens.
Für das Modell von 1928 verwendete man einen Sturmey Archer Motor als OHV Variante (oben gesteuert) und einem Hubraum von 348 ccm. Er hatte eine Leistung von 12 PS beim Hub von 88 mm und einer Bohrung – 71 mm. Die Geschwindigkeit war mit 105 km/h angegeben, wobei mit dem durchzugsstarken Motor ein Seitenwagen problemlos gezogen wurde.
Anfänglich war noch ein runder Auspuff verbaut, wie man ihn ähnlich von den späteren Boxer-Modellen von 1931 kennt.
Mit der Victoria KR 35 wurden auch sportliche Wettbewerbe ausgetragen, wo der Auspuff auch dementsprechend abgespeckt war:
Einige Auszüge aus der Ersatzteilliste der KR 35:
Sturmey Archer Motor 348 ccm.
Das Fahrgestell eigens konzipiert für den zugekauften Motor.
Auf der nächsten Tafel sieht man den formschönen Tank, welcher als Stecktank ins Fahrgestell eingefügt wurde. Am Noris Zündmagnet erkennt man, dass Anfangs noch Karbid-Beleuchtung den Vorrang hatte. Die Vergaseranlage stammt von AMAC. Unten links sind die bequemen Trittbretter zu sehen, aber man konnte auch Fußrasten bestellen:
Das Getriebe stammt von der Firma Hurth – welches hauptsächlich die nächsten Jahre verwendet wurde:
Kupplung- und Zubehör.
Vordergabel und Zubehörteile.
Vorder- und Hinterrad.
Zubehör – Räder.
Schaltung.
Die nächste zwei Bilder zeigen nochmal den Motor von beiden Seiten:
Bereits mit Fußrastenanlage Der Sturmey Archer Motor war 1928 noch mit einer offenen Schwungscheibe ausgerüstet, die sich unter der Kettenschutzabdeckung befindet. Davor ist die bequeme Trittbrettanlage zu sehen.
Die Kettenschutzanlage aus der Ersatzteilliste:
Hier sieht man auch die neue Auspuffanlage, die auch das Bild der nächsten Jahre prägt. (Anfänglich war der Auspuff noch rund).
Die Gebrauchsanweisung für das Motorrad Victoria KR 35:
Eine Aktie von Victoria – passend zum Jahr 1928:
Restaurierte KR 35 OHV auf einem Treffen fotografiert (von den Maschinen dieser Baureihe sind keine 4 Hände voll, mehr bekannt):
Bereits ab 1910 hat die Firma Victoria Knabenräder und Mädchenräder hergestellt. Dazu kamen auch Kleinroller und Dreiräder mit teils kuriosen Antriebstechniken, wie im nachfolgenden Beitrag zu sehen:
Victoria – Knabenrad 1933:
Victoria – Mädchenrad 1933:
Victoria – erste Schutzblechfigur, wie auf den Rädern zu sehen – 1933:
Victoria – Doppeltretroller (1933), in den Farben blau und rot erhältlich, mit einem ausgeklügelten Doppel-Zahnstangen-Mechanismus:
Roller – Originalzustand
Der Mechanismus
Später baute Victoria in Verbindung mit der Nürnberger Firma Ferbedo in Kleinserie einen Roller, welcher sehr selten zu sehen ist:
Das „Vickylein“, das wohl bekannteste Kinderfahrzeug !
Das Vickylein, ein Kinderfahrrad für die Kleinen, selbst mit Stützrädern zum Üben, wurde mit dem Slogan: „Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen“ beworben. Die Linie des Kinderrades schloss sich an die sehr erfolgreiche Vicky-Moped-Serie an und charakterisierte die moderne Tanklinie wieder. Man ließ das Vickylein auch bei der Nürnberger Firma Ferbedo in relativ geringer Stückzahl produzieren. Diese Räder sind heute sehr begehrt und man findet kaum eines im schönen Originalzustand.
Originalzustand
Werksfotos
Originale Fotos:
FM 38 – Motoratrappe
Eine besondere Rarität war die FM 38 – Motor – Atrappe, hergestellt aus einer festen Pappe mit einem sogenannten „Schnurrer“, welcher aus einem stabilen Lederriemen bestand, und zwischen den Speichen ein schurrendes, lautes Geräusch erzeugte. Das Teil hat man am Hinterrad montiert und sah aus, als hätte man einen kleinen FM 38 Hilfsmotor an Bord.
Anbauskizze:
Originaler Pappmotor:
Vorderseite
Rückseite mit Mechanik
Am Kinderfahrrad
Wie das oben gezeigte Kinderrad, so gab es auch ein Victoria – Knabendreirad:
Klein Victoria auf Mädchendreirad (10 Monate):
Nochmal die drei außergewöhnlichen Kinderfahrzeuge:
Man fühlt sich sichtlich wohl !
Zwei Kinderräder aus den Fünfzigern:
Mit den Hilfstützrädern
Fazit: Kinderfahrzeuge, Kinderfahrräder und auch Jugendräder sind heute leider nur selten in einem passablen Zustand zu finden, weil diese meist bis zum Ende verschlissen wurden. Auch haben oft mehrere Generationen von Heranwachsenden diese Räder zum üben benutzt…
Das große Jubiläumsjahr – „50 JAHRE VICTORIA von 1886 – 1936“
Mit folgendem Text präsentierte Victoria die neue Produktpalette von Fahrrädern: „Ja schon vor 50 Jahren wurden Victoria-Räder gebaut. Wenn uns auch die Formen, an den heutigen gemessen, etwas verschroben vorkommen, im Prinzip waren auch die damaligen eine beträchtliche Leistung deutscher Werkmannsarbeit. Die auf lange Lebensdauer berechnete Durchbildung jedes einzelnen Teiles war ein Merkmal aller Victoria-Erzeugnisse“.
An diesem Grundsatz der unbedingten Qualität wurde festgehalten !
Mit der neuen Produktlinie wurde auch das Steuerkopfzeichen,en welches nun mit einem Ehrenkranz umgeben war, geändert:
Das vordere Schutzblech erhielt in diesem Zuge auch eine neue Schutzblechfigur, das „Geflügelte V“ mit verschiedenen Farbstrichen, der Linierung entsprechen:
Hier neutral.
In der Folge sieht man die gesamte neue Linie der Räder:
Das originale Geschäftsrad mit der Fleischerfamilie, wie im Bild vorher „V22“:
Aus dem Werksprospekt:
Einiges zum Victoria Damen-Jubiläumsrad mit der Bezeichnung B10:
Das Rad im neuwertigen Originalzustand.
Das Rad wurde für folgenden Kassapreis offiziell angeboten:
Auch die Fahrräder hatten einen Pass mit Vertrag vom jeweiligen Händler, wo auch der Preis und die Zahlung vereinbart wurden:
Das Jubiläumsmodell als Rennrad Typ: „V101“ von 1936:
Die „Vittoria“-Margherita-Rennradschaltung:
Zum 50-jährigen Bestehen der Firma Victoria gab es 1936 den Straßenrenner Modell „V101“. Im Normalfall war dieser mit der Victoria Freilaufnabe ausgerüstet. Die Rennfahrer rüsteten aber moderne, meist aus Italien stammende Rennradschaltungen nach. Dieser Trend setzte sich bis in die Sechziger Jahre fort. Das Foto oben zeigt eine der modernsten Rennradschaltungen dieser Zeit an einem Victoria-Rennrad, dem V101. Verblüffend ist die Ähnlichkeit des Firmenzeichens mit dem Frauenadler auf dieser Schaltung. Gino Bartali gewann 1938 die Tour de France mit der Vittoria-Schaltung. Die Schaltung arbeitet ohne Kettendruck eines Kettenspanners und man konnte somit die letzten Millisekunden beim Schaltvorgang herauskitzeln. Die Schaltung wurde zu Ehren der italienischen Prinzessin Margherita nach ihr benannt.
„Vittoria-Margherita-Rennradschaltung“
Die wichtigsten Bestandteile und Neuerungen:
Der neue Schwingsattel (D.R.P.)
Damenschwingsattel (D.R.P.)
Einblicke in die Fertigung:
Werbung:
Links Gert Reiher auf V101, rechts Enkel Chris auf Rennrad von 1927.
Das Rad der Marke „Preciosa“ von Victoria stellte die Firma Ende der Zwanziger Jahre her und war sehr elegant:
Markenbezeichnung: „Preciosa“
Das Patentdrucklötverfahren (D.R.P.),
war die wichtigste Neuerung und Erfindung der Victoria Werke gegen Ende der Zwanzigerjahre. Das Löten der Rahmenrohre erfolgte im Ganzen mit den vorgefertigten Muffen. Durch Kompletterhitzung der gesamten Rohre einschließlich Muffen schmolz das Lot insgesamt und gleichmäßig und die Verbindung der Teile war fest und sehr stabil. Die Teile waren sehr fest und stabil. Die Teile fügten sich organisch zusammen, dass das die Rahmenrohre schwächende Nachfeilen wegfiel. Die erzielte glatte Rohraußenfläche war für die Lebensdauer der Emaillierung von großer Bedeutung. Die hieb- und schlagfeste Emaillierung behielt selbst nach jahrelangen Gebrauch des Rades ihren festlichen Glanz. Das Verfahren war rationell und optimal für die Fertigung.
Anfang der Dreißigerjahre (ca. 1932) hat man Schutzblechfiguren bei Victoria eingeführt. Die erste Figur war ein angedeutetes „V“ mit nach hinten geschwungenen Auslauf, die auf dem Vorderradschutzblech befestigt wurde. Diese Figuren wurden nur kurz verwendet, dem entsprechend sind sie heute eine echte Seltenheit:
Die erste Schutzblechfigur
Das nächste Bild zeigt ein seltenes Victoria „Chromrad“, ein Exportmodell, Baujahr 1932 mit roten Ballonrädern im Originalzustand:
Ab der Dreißigerjahre wurde bei Victoria die Fahrradpalette regelrecht modernisiert. Die Werke wuchsen, die Formen wurden moderner, die Qualität blieb gleich, eben Victoria-Qualität. Die ersten Fahrräder mit Ballonbereifung, welche Victoria um 1930 einführte, waren sehr beliebt. sowie Erschütterungen ausgeglichen. Durch die breiteren Reifen erfolgte eine wesentlich bessere Dämpfung, die Federung war verbessert, sowie Erschütterungen ausgeglichen. Mit den breiten Reifen wurde die Sturzgefahr hauptsächlich im Bereich von Straßenbahnschienen verringert. Die Reifen, ob Balkon- oder normale Drahtreifen, gab es auch in anderen Farben zum Beispiel in Rot und Weiß.
Sehr schöner verzierter Kettenschutz…
Das nächste Steuerkopfzeichen war die stehende Raute mit dem Victoria Engel, welcher stolz das vordere Schutzblech des Rades zierte. Dieses Zeichen gab es bis zum 50-jährigen Jubiläum 1936 der Firma Victoria:
Es folgen einige Bilder mit einem Rad von 1934 mit der besagten Raute auf dem vorderen Schutzblech:
Der Victoria-Engel fand sich auch auf den Klingeldeckeln wieder:
Die bewährten Steuerkopfzeichen aus den 10er Jahren wurden noch bis zum Jubiläum 1936 verwendet, also fast 30 Jahre durchgängig:
Erfreulicherweise gewannen auch in Deutschland Aschenbahnrennen mehr und mehr Interesse des sportliebenden Publikums. Und man fragt sich, warum nicht schon längst derartige Veranstaltungen arrangiert wurden. Man bot dem Beschauer eine ideale Möglichkeit , sich vom Können des Fahrers und der Technik ein klares Bild zu verschaffen, da die Aschenbahn stets einen vollkommenen Überblick über die gesamte Situation gestattet. Keiner der zahlreichen, meist außerordentlich reizvollen sportlichen Momente entgeht dem Zuschauer, während sich beim Straßenrennen oder ähnlichen Veranstaltungen seinem Blickfeld immer nur ein kleiner, oft nur uninteressanter Ausschnitt darbietet. In England, der Wiege dieser Sportgattung, bewusst vor Jahresfrist besondere Aschenbahnmaschinen, sogenannte Dirt – Track – Motorräder, herausgebracht. Überzeugt von erfreulichen Sportgeist, dass man sich nun in Deutschland mit der Herstellung solcher Spezialmaschinen für Aschenbahnrennen befasst. Die Victoria – Werke, die schon seinerzeit das erste Kompressor-Motorrad herausbrachten, stellten nunmehr auch eine deutsche Dirt – Track – Maschine her. Für den neuen Typ wurde der bekannte oben gesteuerte Horizontalmotor verwendet, der ja zur Genüge erprobt und bewährt ist. Der Motor war auf der Basis der KR 7 mit Zweivergaseranlage konzipiert:
Vergaserseite.
Die Besonderheit der Aschenbahnen machte eine vollkommene Kapselung des Ventilmechanismus notwendig, die, wie man aus dem Bild ersichtlich, mit Geschick durchgeführt ist. Gegenüber dem normalen Rennmotor zeigt der Motor der Aschenbahnmaschine weitere, eigens für ihn geschaffene Konstruktions- Neuheiten. So wurde beispielsweise die Ölsumpfschmierung entfernt. Die Ölzuführung erfolgte wie bei der KR 7 über Ölleitungen eines eigenen Öltanks im Benzintank integriert. Beachtenswert ist auch die neue Dekompressionseinrichtung und nicht zuletzt eine vor Eindringen von Schmutz schützende Vergaseranordnung über, Tubas, wie bei der KR 7.
Das Zweiganggetriebe, welches durch eine kräftige Kette mit dem Motor verbunden ist, wurde aus konstruktiven Gründen über den Motor gelegt und das Übersetzungsverhältnis den Erfordernissen der Aschenbahn genauestens angepasst. Das Motorantriebsgerät sitzt in einem niederen Rahmen, der in seiner etwas ungewohnten, jedoch besonders zweckentsprechenden Linienführung nach dem Konstruktionsprinzip der bewährten 600er Victoria Maschine gebaut wurde. Die Linienführung des Benzintanks passt zeitgemäß zur 1930er KR 6. Der Rahmen ist gegen Seitendruck äußerst widerstandsfähig, eine Eigenschaft, die der neuen Dirt – Track – Maschine sehr zustatten kommt. Der Sattel ist mit dem Rahmen starr verbunden. Eine besondere Kniestütze befähigt den Fahrer, das Motorrad leicht in die Kurve zu drücken:
Der neue KR 9 Motor mit ebenfalls 500 ccm ist auch ein Zweizylinder Modell mit schräg gestellter Zylinderanordnung. Die wesentliche Änderung für eine verbesserte Kühlung sind die von sich getrennten Zylinder und die neue Ventilsteuerung. Der Motor war bisher ein mit Seitenventilen gesteuertes Aggregat, wo die Ventile (2x Einlass und 2x Auslass) im hinteren Bereich angeordnet waren (KR 8). Das war sehr ungünstig für die Wärmeabführung und verursachte die Überhitzungen für Motor, Vergaser usw. Beim KR 9 Motor wurden die Auslassventile über Kipphebel und Stoßstangen als kopfgesteuerte Ventile am Vorderteil des Motors angeordnet. die Auslassventile waren nun dem Fahrtwind direkt ausgesetzt und es war die perfekte Kühlung gewährleistet. Die Ansaugventile lagen weiterhin im rückwärtigen Bereich, hatten aber wesentlich mehr Platz zur Verfügung, was sich natürlich auch positiv für die Wärmebilanz des Motors auswirkte. Das Getriebe und der Antrieb wurden beibehalten mit der bewährten Kettentechnik im an geblockten Zustand. Der Motor wurde 1936 auf der Berliner Autoschau vorgestellt:
Victoria KR 9 Motor mit Wechelsteuerung (EOI=exhaust over inlet).
Victoria versendete an ihre Herren Vertreter am 7. Juni 1937, unter Nr. 234, folgende Mitteilung: Betrifft: Motoränderungen KR 8/9.
Der neue KR 9 Motor hat sich vorzüglich bewährt. Wir empfehlen Ihnen deshalb heute wieder, alle KR 8 Kunden auf die Möglichkeit des Umbaus hinzuweisen. Soweit dies schon früher geschehen ist, mache wir Sie bitte darauf aufmerksam, dass die Zeit für diese Umbauten sehr begrenzt und eine rasche Entschließung somit dringend erforderlich ist, zumal Umbaumotoren nicht in der Anzahl der gelieferten KR 8 Maschinen zur Verfügung stehen. Der Vorzugspreis für die Änderung beträgt RM. 270.-, obwohl die wirklichen Gestehungskosten für die Änderung etwa bei RM. 450.- liegen. Die Abdeckung der Änderungspreise kann zudem noch in Raten bis zu 10 Monaten ohne Ratenaufschlag und Wechselspesen erfolgen. Im Änderungspreis sind eingeschlossen der Aus – und Einbau in das Fahrgestell, es ist also jeweils die ganze Maschine einzuschicken. Die Rücklieferung ist etwa 8-10 Tage nach Eingang der Maschine möglich. Wird uns eine persönlich gebracht, dann kann die Fertigstellung innerhalb von 2-3 Tagen erfolgen. Nicht eingerechnet sind Benzin und Öl, Zündkerzen, sowie Arbeiten, die sich eventuell am Fahrgestell als notwendig erweisen. Für Ihre Bemühungen gewähren wir Ihnen heute 10 % Nachlass auf den Fakturenbetrag für solche Änderungen. Weisen Sie Ihre Kunden bitte darauf hin, dass die Änderungskosten nicht nutzlos ausgegeben sind, das neben der Leistungssteigerung die Maschine auch eine bedeutende Wertsteigerung erfährt, sodass im Falle eines späteren Verkaufs ein entsprechend höherer Erlös erzielt würde. H.H. Victoria – Werke A.-G.
Restaurierter KR 9 – Motor.
Das Hauptaugenmerk der neuen Victoria KR 9 lag im wesentlichen im Motorbereich, wobei für die neue Maschine auch noch eine verbesserte Vorderradgabel eingebaut wurde. Die Gabel hat eine Druckfeder und zwei Zugfedern im Gegensatz zur KR 8, welche mit zwei Druckfedern ausgerüstet war. Mit der neuen Vordergabel ist ein verbessertes Fahrverhalten, sowie eine komfortablere Abfederung erreicht worden.
Bevor man diese neue Vordergabel einführte, probte man eine Gabel mit einem nach heutigen Maßstäben – modernen Stoßdämpfer. Das nächste originale Werksfoto zeigt diese moderne Variante, welche aber nicht zum Einsatz kam, wahrscheinlich litt die Entwicklung unter Zeitdruck:
Auszüge aus der Bedienanleitung der Victoria KR 9:
Victoria KR 9 – Draufsicht.
Steuerungseinstellung:
Einlass öffnet : 10`vor OT
Einlass schließt : 50`na. UT
Auslass öffnet : 50`vor UT
Auslass schließt : 10`na. OT
V.- Spiel Einlass : 0,2 mm
V.- Spiel Auslass : 0,3 mm
Zündung max. Vorzündung 11 mmm, entspricht: 38`
Unterbrecherabstand: 0,35 mm
Zündkerze W 225 T1.
Radausbau.
Einblicke in den Motor meiner KR 9 bei der Überholung:
Kurbelwelle im offenen Motorgehäuse.
Beachtenswert sin die gebohrten Pleuelstangen.
Doppelzylinder mit den Einlassventilen.
Zylinderkopf von oben.
Zylinderkopf von unten.
Victoria KR 9 – Motor, restauriert.
Im Rahmen eingebaut.
Victoria KR 9 – Motor im nicht restaurierten Zustand:
Victoria KR 9 – Rahmen so wie er manchmal ist, wenn er gefunden wird:
Eine, wohl die letzte originale KR 9, welche fahrbereit ist, auf einem Victoria Treffen.
KR 9, aus der Sammlung von Wastl Niedermeier aus Bogen (Bayern):
Das Ergebnis nach der Restauration:
Victoria KR 9 – Museum Augustusburg/Sachsen.
Veterama Mannheim 2015:
Gipfelstürmer – Hochalpenstraße – Bericht Victoria IG von 2/2008:
Noch zwei Bilder von der Großglockner – Fahrt:
Nachfolgend Bilder sind vom internationalen Bergrennen 2009, Ort „Nals“ im schönen Südtirol:
Originale Bilder Victoria KR 9:
Werbung:
Abschlussfoto Victoria KR8 und KR 9 zusammen vereint:
Das war der Slogan mit dem Victoria die KR 8/9 Fahrmeister in einem Brief an die Händler bewarb: „Das unser Modell Victoria Fahrmeister selbst hohen Anforderungen entspricht, wird den von seiner Orientreise zurückgekehrten Forscher Josef Sledzinski bestätigt. Mit seinem serienmäßigen Fahrmeister-Gespann, das nur für eine Italienreise gerüstet war, fuhr der Genannte über den Balkan nach Kleinasien und durchquerte als erster Motorradfahrer die 1000 km breite Syrische Wüste. Sledzinski drang selbst bei Temperaturen von 68 Grad bis nach Kuweit am Persischen Golf vor“.
Die Reise ist in dem Buch „Mit dem Motorrad und Kamera durch den Orient“ anschaulich beschrieben, erschienen im Verlag LW. Seidel, Sohn, Wien, 1936. Die komplette Reiseroute umfasst laut der abgebildeten Karte eine Strecke, inklusive der eingezeichneten Abstecher, von ca. 45000 – 50000 km:
Im Vorspann seines Buches ist von 80000 km die Rede, welsches sich höchstwahrscheinlich auf seine gesamten Reiseaktivitäten bezieht. Das erste Viertel der Reise erfolgte mit einem Begleiter, er nannte ihn Heinz. Über das Motorrad selbst werden nur wenige Anmerkungen gemacht, außer Pannen, welche ja negative Ereignisse waren. Aber es waren im Verhältnis zur Gesamtstrecke relativ wenig Pannen. Für ihn waren die Menschen, die Länder und die Landschaften das Credo der Reise, aber vor allem die Fotografien (6000 Stück), die er teils unter gefährlichen Bedingungen machte, wichtig. Im Orient war strengstes Fotografierverbot und wurde im Extremfall mit Gefängnis bestraft. Immerhin war Sledzinski zwei volle Jahre unterwegs, teils auf schlechtesten Straßen und Wegen, über Gebirge und Pässe, durch die Wüste und kam wohlbehalten wieder zu Hause in Berlin an. Die Fahrt begann in Berlin über Dresden, Zinnwald, Tschechoslowakei (schlechte Straßen), Prag, Brünn, Wien nach Italien. Auf ansteigenden Gelände lobte Sledzinski das Motorrad in den höchsten Tönen, es übertraf sich selbst und er musste erst auf halber Anhöhe in bergigen Gelände vom vierten auf den dritten Gang zurückschalten. Selbst sein Beifahrer war mit Stolz erfüllt, dass das Motorrad, selbst mit ihm und dem vielen Gepäck so gut lief. An der jugoslawischen Grenze streikte die Kupplung, welche durch Korken von zurechtgeschnittenen Flaschenkorken ersetzt wurden. Später wurden diese durch Spezial-Kupplungskorken ersetzt. In Jugoslawien auf schlechtesten Straßen dann neuer Ärger mit einer gebrochenen Gepäckstütze und 22 gerissenen Speichen. auf 90 km – 5 x Reifenpannen. Mangels Tankstellen wurde zum Teil mit Petroleumanteil gefahren. Die Straßen um Belgrad glichen einem Schlachtfeld. In der Nähe von Topla lief das Motorrad immer schlechter und eine hohe Zylindertemperatur bereitete Sorgen. Bei einem Schlosser wurde eine neue Zylinderkopfdichtung angefertigt und der Vergaser auf das schlechte Benzin eingestellt. Nach Sofia brach die Hauptstrebe des Seitenwagens. Das Gespann wurde mit einem Seil zum nächste Dorfschmied geschleppt, um die Reparatur auszuführen.
Das Gepäck war bei der Aktion hinderlich.
Ein Bild mit Zigeuner-Kindern, nach Reparatur.
Die Fahrt ging weiter nach Konstanz zur Überfahrt mit einem rumänische Schiff übers Schwarze Meer nach Istanbul. Das Motorrad wurde mit Decken verhüllt, damit es nicht mit der salzigen Luft in Berührung kam. Die Weiterfahrt wurde oft unterbrochen, da Josef Sledzinski zweimal verhaftet wurde, aber immer wieder frei kam, teils erst nach einigen Wochen. Auf der Strecke von Damaskus nach Beirut kam es zu einem leichten Unfall, als eine Frau in den Seitenwagen lief. Das war eine sehr gefährliche Situation, welche leicht in Lynchjustiz enden konnte. Gottseidank konnte die Angelegenheit mit Geld geregelt werden. Viele brenzlige Situationen wurden mit Schmiergeld, dem im Orient sogenannten Bakschisch, geregelt.
Bergige Landschaft in einer faszinierenden Idylle – Nazareth.
Nablus – das alte Sichem – in Palästina.
Von Damaskus nach Bagdad sind es fast 1000 km Fahrt durch die Syrische Wüste. Die Fahrt sollte ohne Unterbrechung innerhalb von 24 Stunden zurückgelegt werden, um die Gefahr räuberischer Überfälle einzuschränken.
Der komfortable Wüstenexpress „NARN“ in Kolonne.
Immer gut, wenn man sich einer Kolonne anschließen kann, das verringert das Risiko von unangenehmen Besuchen irgendwelcher Gumunken und Räuber.
Das wohl berühmteste Bild von Josef Sledzinski, der als Verfasser des Buches, das auch heute noch das gebräuchlichste Verkehrsmittel der Wüste besteigt.
Von Bagdad ging die Fahrt unter mörderischer Hitze, welche den Fahrer zu gemäßigten Tempo zwang, weiter zur iranischen Grenze in einen neuen Kulturkreis.
Enge arabische Dorfstraße, wo kaum das Gespann durch passt.
Malerisch liegt das arabische Dorf an der Landstraße, einen Abstecher allemal wert.
Unterwegs sah man viele verunglückte Fahrzeuge:
Ankunft in Teheran welche, als sehr weltoffene Stadt bekannt ist, verbunden mit der baldigen Heimreise. In der Hafenstadt Pahlewi angekommen, setzte der Orientreisende dann mit einem russischen Frachter übers Kaspische Meer, nach Baku. Danach zur Weiterfahrt über Rostow am Don nach Kiew und dann weiter nach Warschau. Hier wurde eine Pause eingelegt und dann fuhr er weiter nach Hause, nach Berlin, wo Josef Sledzinski ohne von größeren Pannen gezeichnet, von der großen Reise, nach ca. zwei Jahren wieder ankam.
Rückseite des Buches von Josef Sledzinski (1936).
Fazit der Orientreise und Fazit zum Victoria Motorrad KR 8:
Die Reise wurde 1934 angetreten und man kann deshalb davon ausgehen, dass das Motorrad ein KR 8 – Gespann war. Dieses Modell stellte Victoria ab 1933 her. Ich gehe davon aus, das Josef Sledzinski die gesamte Strecke mit der KR 8 und auch mit diesem ersten Motor gefahren ist. Erstaunlich ist, das auf allen Fotos die Seitenverkleidungsbleche zu sehen sind, die als nachteilig für die Kühlung genannt werden. Der neue KR 9 – Motor wurde erst 1936 auf der Berliner Autoschau präsentiert, da war Josef Sledzinski bereits wieder zu Hause und hatte sein Orientbuch schon fertig, also kommt ein Austauschmotor nicht in Frage. Zusammenfassend muss man sagen, dass es schon ein sehr großes Wagnis war, in dieser Zeit mit einem nicht ausgereiften Motorrad eine solche Reise anzutreten. Wahrscheinlich hat er darüber vorher nicht nachgedacht. Josef Sledzinski war ein waghalsiger Typ, dem wir diese selten Fotos zu verdanken haben. Aber seine Verwegenheit und sein Glück haben ihm geholfen unter schwierigsten Bedingungen Aufnahmen von Menschen, Landschaften und von Heiligtümern, nicht zu vergessen in Verbindung mit der Marke Victoria zu machen.