Victoria – die Räder im neuen Jahrhundert von 1900 – 1920 – Zusammenfassung…

Liebe Freunde der alten Fahrräder, speziell der Victoria-Räder, möchte ich im Anschluss des letzten Beitrages der Räder von 1886-1900 anschließen und mit einem Beitrag der Räder im neuen Jahrhundert 1900-1920 viele interessante Informationen in Bild und Schrift darlegen…

Als erstes das Deckblatt des neuen Fahrrad-Katalog von Victoria:

Bevor ich die Räder präsentiere, möchte ich im Vorfeld auf die Neuerungen am Rad selbst eingehen:

Die sogenannte Starr-Nabe war die Grundlage des drehenden Rades, beginnend vom Hochrad über die Niederräder. Die Kugellager waren mit Schalen und Konen versehen, worin die Kugeln im Dreipunktsystem liefen. Die Teile waren aus bestem Material und tadelloser Härte. In einer eigenen Prüfwerkstatt wurden die Teile getestet. Dabei wurde eine Wegstrecke von bis zu 4000 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h mit einer Belastung von 120 Pfund simuliert.

Vorderradnabe

Hinterradnabe

Freilaufnabe –

Eine sensationelle Weiterentwicklung zum Anfang des 20. Jahrhunderts war der Victoria-Freilauf-Zahnkranz, welcher einen spielend leichten Lauf hatte. Dieser Freilauf in Verbindung mit einer Bremse, dem System Bowden, ermöglichte dem Radfahrer einen nie dagewesenen Komfort. Er konnte die Füße auf den Pedalen ruhen lassen, ohne  waghalsige Manöver während der Talfahrt veranstalten zu müssen, um wieder Tritt zu fassen.

Victoria – Freilaufnabe

Bremse über System – „Bowden“…

Freilaufnabe mit integrierter Rücktrittbremse –

Der Amerikaner A.P. Morrow erfand 1898 diese Freilaufnabe und ließ diese auch 1898 patentieren. Victoria hat 1901 derartige Naben zugekauft und in die Räder eingebaut.

Freilaufnabe mit Rücktrittbremse System „Morrow“…

Originale „Morrow“ – Nabe…

Die Deutsche Firma Fichtel & Sachs, hat etwas weiter versetzt, ebenfalls eine Freilaufnabe mit Rücktrittbremse auf den Markt gebracht, welche mit der Morrow-Freilaufnabe fast identisch war:

Fichtel & Sachs Freilaufnabe mit Rücktrittbremse

Die Entwicklung der Naben ging rasant weiter und bereits 1903 war eine moderne „Morrow-Freilaufnabe“ mit Rücktrittbremse auf dem Markt, sowie auch von „Fichtel & Sachs“, welche von Victoria eingebaut wurde. Diese Nabe ist im Fahrradkatalog von 1904 dokumentiert und mit dem Deutschen Reichspatent versehen. Die Fichtel & Sachs Nabe wurde unter dem Markennamen “ Torpedo“ auf den Markt gebracht.

Fahrrad-Katalog-Titelseite Jahr 1904…

Eine weitere revolutionäre Erfindung geht auf die Wanderer Werke zurück, die Freilaufnabe mit doppelter, während der Fahrt veränderbarer Übersetzung. Über einen Hebel an der Lenkstange werden die Übersetzungen in der Nabe und der Leerlauf geregelt.

Bei Victoria versorgte man sich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges mit zugekauften Naben. Durch die Herstellung der „Fichtel & Sachs“ Naben in sehr großen Stückzahlen konnten diese recht günstig angeboten werden und wirkten sich natürlich auch günstig auf den Fahrradpreis aus. Es erfolgte auch ein Einsatz von Doppel-Torpedo-Naben, also Naben mit Weiterer Übersetzung.

Im Jahr 1918 entwickelte Victoria eine eigene Freilaufnabe mit Rücktrittbremse.

Reichspatentschriftnummer : 341774. Anmeldedatum : 25.11.1919. veröffentlicht: 07.10.1921. “ Der Erfindungszweck besteht darin, den Bremsschluss von Freilaufnaben in ein unveränderliches Abhängigkeitsverhältnis zur Rückwärtsdrehung der Tretkurbel zu bringen. Bei anderen Systemen besteht nur ein allmähliches aber kein sofortiges Eingreifen des Sperrkörpers durch Kraftschluss, und es entsteht ein Rückwärtstreten“.

Die Victoria Freilaufnabe erfüllt damit die Hauptanforderung einer guten Freilaufnabe : Zuverlässige Bremswirkung. Der Bremsmantel ist „aus dem Vollen gezogen“, also aus massiven Messing.

Im Katalog von 1904 wurden auch erstmals Victoria Kardanräder vorgestellt, sogenannte kettenlose Fahrräder :

Hier noch einige interessante Fahrzeuge auszugsweise, bereits tolle Dreiräder:

Einige authentische Fotos aus der Jahrhundertwende :

Die Entwicklung der nun schon moderneren Fahrräder (mit niedrigeren Steuerkopf), brachte Victoria im Jahr 1908 auf die beachtliche Summe von bereits gefertigten Rädern mit diesem Modell auf Nummer: „224016“:

Das Steuerkopfschild wurde zu dieser Zeit auch umgestellt:

Victoria mit der barbusigen Engelfigur…

Im Bereich der neu entwickelten Pedalen für die Victoria Räder, konnten sämtliche Teile ausgewechselt werden. Diese waren nicht mit billigen Fabrikaten vergleichbar, die denen Achse und Konus aus einem Stück hergestellt ist.

Die Pedalen waren 1904 noch nicht gelabelt. In den nächsten Jahren hat man dann das Zeichen „VW“ – Victoria Werke auf den Pedalen aufgebracht.

Originale Victoria – Pedale mit dem Label „VW“ – Victoria – Werke.

Mit dem neuen Zeichen gab es auch erste Werbemittel, wie Glas- und Zelluloidschilder, im folgenden zu sehen:

Am oberen Rohr der Räder hat man den Schriftzug „Victoria“ sehr filigran, etwas erhaben mit Nickel aufgebracht:Am Sattelrohr gab es die ersten Aufkleber, welche bis in die „Fünfziger Jahre“ Verwendung fanden:

 

Im Jahr 1906 fand die Bayrische Landesausstellung statt und Victoria präsentierte sich mit einen monumentalen Messestand. Da kann man erkennen, welche Bedeutung der Fahrradproduktion beigemessen wurde, welche ja die tragende Säule der Firma war.

Originales Herrenrad aus dem Jahr 1907 :

Originales Damenrad aus dem Jahr 1907, man beachte den originalen Zelluloid – Kettenschutz am Rad :

Hier nochmal als Pärchen aus dem gleichen Jahr 1907 :

Die folgende Aufnahme entstand im Jahr 2017, am Drais (Erfinder des  – Gedenkstein in Radebeul, anlässlich des Radtreffens zum 200. Geburtstag des Fahrrades. Der damals noch amtierende Bundesinnenminister Thomas de Maiziere und Gert Reiher ist vor einem Rad von 1907 zu sehen:

Im Anschluss noch einige originale Fotos 1904 – 1910 :

Eine Vielzahl von Fahrrädern wurde im Katalog von 1910 vorgestellt:

 

Hier ein Auszug aus dem Katalog von 1910:


Victoria 0 – Kräftiges Herrenrad mit 15kg Gewicht, gab es auch als Knabenrad.

Victoria 00 – Solides Damenrad mit 14,5kg Gewicht, auch als Mädchenrad.

Victoria 6 – Elegantes Tourenrad.

Victoria 4 – Extra leichter Halbrenner mit 11,5kg Gewicht. Man beachte das vergrößerte Kettenblatt.

Victoria 3 – Extra leichtes Tourenrad.

Victoria 2 – Luxus – Tourenrad.

Victoria 1 – Leichter Renner, genannt „Flieger“ aus dem Jahr 1909:

Eines der ersten Blechschilder im O-Zustand – mit einem „leichten Renner“.

Victoria 9 – Feines Damenrad vom März 1909. Schöner Celluloid Kettenschutz.

Victoria 7 – Luxus – Damenrad. Mit geschlossenen Kettenschutz…

Victoria 10 – Militärrad mit 15,5kg Gewicht und der übliche Ausstattung…

Im Jahre 1908 wurden über 1200 Militärräder an die deutsche Armee ausgeliefert !

(Archiv – Bäcker)

Victoria EH – Feines englisches Tourenrad.

Hier ein hochfeines englisches Fahrrad im Originalzustand. Diese Räder wurden ab 1909 gebaut und waren bis Ende der Zwanziger Jahre im Programm. Man beachte die Stangen zur Hinterradbremse nach System „Bowden“…

Victoria ER – Feiner englischer Halbrenner mit 13kg…

Victoria ED – Feines englisches Damenrad aus dem Jahr 1909…

Hier vorher 2 Bilder eines solchen Rades im Originalzustand. Die englische Form wurde, wie es schon aussagt, den englischen Räder in Stil und Form nach empfunden. Man sieht auch die Bremsstangen zur Übertragung der Bremswirkung sehr deutlich, welche durch ein Bowden-System am Rad die Geschwindigkeit verzögern…

Victoria S – Saalfahrmaschine…

Die nächsten Bilder zeigen eine Vielzahl von Geschäftsrädern, welche in dieser Zeit sich großer Beliebtheit erfreuten:

Victoria 12 – Geschäftszweirad…

Victoria 13 – Transport – Dreirad. Kasten vor dem Sitz für leichte Lasten…

Victoria 15 – Transport – Dreirad mit Kasten. Wenn man den Werbeschriftzug folgt, weiß man, wo die Firma Victoria so überall hin geliefert hat…

Victoria 19 – Transport – Dreirad für die Gewehrfabrik Spandau…

Victoria 20 – Transport – Dreirad für die Betriebseigene Fiale in Berlin…

Plakat aus dieser Zeit…

Im Anschluss der Victoria – Fahrradkatalog von 1914:

Hier nochmal das elegante englische Modell mit der über Stangen übertragenen Bremsleistung, endend mit einer Bowden-Bremse am Rad…

Die schematische Darstellung der Bremse…

Die verschiedenen Lenkstangen:


Die Victoria  – Lichtanlagen wurden bei der Firma „Paul Hirsekorn – Dresden“ hergestellt:

Der Zubehörkatalog der Victoria Werke A.G.:


 


Man beachte die Säbel, bzw. Gewehrhalter !

Verschiedene Brenner für die Laternen…

Den Carbid sollte man nicht vergessen + Wasser und das Licht ist perfekt…

Die Fahrraduhr sollte unbedingt beachtet werden, vor allem der Preis, mit gerade mal 6.- Mark, wäre es heute das absolute Schnäppchen…

Liebe Victoria-Freunde der Victoria-Fahrrad-Geschichte, ich möchte abschließend der ersten 20 Jahre im neuen Jahrhundert nochmal auf die tolle Entwicklung von der Firma Victoria hinweisen. Der Hauptanteil der Produktion lag schwerpunktmäßig auf der Fahrrad-Sparte. Nicht zu vergessen, das sich Victoria schon im Jahr 1901 mit Motorrädern und später auch mit Autos beschäftigt hat und solche auch hergestellt hat. In den Jahren von 1910-1920 wurde sich aber zum größten Teil auf die tragende Säule „Fahrrad“ konzentriert, ein wichtiger Aspekt war die Lieferung von Rädern in die Kriegswirren des ersten Weltkrieges von 1914-1918. Ab 1920 hat man dann die Motorrad-Produktion wieder angekurbelt, aber die Fahrrad-Produktion war und blieb immer die solide und tragende Säule der Fima VICTORIA…

In einem weiteren Bericht stelle ich Euch dann die Fahrrad-Produktion ab 1920 bis um Jahr 1936 vor. 1936 war das Jubiläumsjahr „50 Jahre Victoria“…

Lasst Euch einfach überraschen, es wird sicherlich sehr interessant…

Euer Gert Reiher…

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